20.9.08

Vom Nutzen eines Erwartungshorizonts

Bei Abiturklausuren und Vergleichsarbeiten schon lange gefordert, ist der Erwartungshorizont, d.h. die Formulierung der Leistungserwartungen für die einzelnen Aufgaben auch bei normalen Arbeiten doppelt nützlich. Zum einen hilft er, auch bei länger sich hinziehenden Korrekturen die Leistungsanforderungen ganz gleichmäßig zu halten, zum anderen ermöglicht er Schülern, wenn sie ihn nach der Klausur als "Lösungshinweise" erhalten, ihre Leistung im Vergleich mit der erwarteten einzuschätzen. Da er bei mir stets in Stichpunkten formuliert war, entstand auch nicht das Missverständnis, dass eine Arbeit dieser Kürze 15 Punkte erbringen würde. Andererseits war manchmal erkennbar, dass ich bei der endgültigen Bewertung gelegentlich auftretende unerwartete Schwierigkeiten für die Schüler bei der Benotung berücksichtigt hatte.
Einen weiteren Vorteil werde ich unter dem Stichwort "Schneeurlaub" demnächst behandeln.

Es folgt ein Beispiel zu einer Klausur in Jahrgangsstufe 12, die in dieser Form nie wieder wird gegeben werden können.

Erwartungshorizont

1) Geben Sie die Positionen, die von Gewerkschaftsseite und Arbeitgeberseite vertreten werden, wieder. 30%
2) Erläutern Sie, weshalb es von Gewerkschaftsseite zu unterschiedlichen Positionen kommt. 10%
3) Stellen Sie dar, wie gegenwärtig Tarifverhandlungen verlaufen und was sich ändern müsste, damit die Vorstellungen von Zwickel und Hundt realisiert werden könnten. 30%
4) Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht bei diesen Überlegungen immer wieder die Arbeitsproduktivität. (Diese Sichtweise hat sich nach Merkantilismus und Physiokraten erst im 19. Jahrhundert durchgesetzt, als von Liberalen und Sozialisten gleichermaßen die Arbeit als Quelle aller Werte angesehen wurde.)
Erläutern Sie, inwiefern die Konzentration auf die Arbeitsproduktivität es erschwert, Lösungen für Umweltprobleme und Arbeitsmarktprobleme zu finden. (Dabei können Sie auf die Argumentation von Text 3 zurückgreifen.) 20%
5) Welche Maßnahmen müssten ergriffen werden, damit Ressourcenproduktivität für die Unternehmen wichtiger wird als Arbeitsproduktivität? 10%

1) Zwickel für differenzierte Lohnabschlüsse je nach Betriebserfolg. Dafür müsse es freilich klare Kriterien geben. Meine (Niedersachsen) dagegen, da bei einem zweistufigen Modell nur die Arbeitnehmer der florierenden Unternehmen profitierten. Vertreter aus Baden-Württemberg und Sachsen/Brandenburg aber dafür. Arbeitgeberpräsident Hundt denkt an Korridore für Lohnerhöhungen.
2) Baden-Württemberg ist für Zwickels Modell, weil dort die meisten Arbeitnehmer mehr bekommen würden als sonst. Sachsen/Brandenburg dafür, weil Arbeitslosigkeit sehr hoch u. als dringendes Problem gesehen wird. Niedersachsen dagegen, weil im Zweifelsfall nur in schwierigen Zeiten Bilanzen vorgelegt würden. Bei guten Verdienst des Unternehmens würden die Gewerkschaften nicht genau informiert. Außerdem Gefahr für Einigkeit und Zusammenhalt in der Gewerkschaft, da sich unterschiedliche Interessengruppen bilden würden.
3) Zum Ablauf der TV vgl. die Hausarbeiten der Arbeitsgruppen. Zu den Änderungen:
Bei Zweistufenkonzept kann die erste Stufe bei den TV festgelegt werden, die zweite in den einzelnen Betrieben ausgehandelt werden. Es könnten aber (vielleicht allerdings auch nur theoretisch) auch zentral feste Kriterien erarbeitet werden (z.B. Gewinn pro Mitarbeiter), nach denen für die Betriebe die zweite Stufe die Lohnsteigerung mechanisch errechnen könnten. Bei Lohnkorridor läge die Aushandlung der Lohnsteigerung innerhalb des Korridors ganz bei den Betrieben.
4) Wegen des Prinzips der Gewinnmaximierung streben die Unternehmen grundsätzlich eine hohe Kapitalproduktivität, d.h. möglichst kostengünstige Produktion an. Erhöhung der Arbeitsproduktivität bedeutet in sich noch nicht billigere Produktion. Das bedeutet sie nur, wenn keine zusätzlichen Produktionsfaktoren (Maschinen, Energie) erforderlich sind oder deren Kosten geringer sind als die für die eingesparte Arbeit.
Wenn aber das Hauptinteresse darauf liegt, die Arbeitsproduktivität zu erhöhen, werden energieintensivere Lösungen begünstigt (Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen), Innovationseifer geht in Richtung Einsparung von Arbeit, nicht Verringerung der Umweltbelastung. Das ist schlecht für die Umwelt.
Da alle Kraft darauf konzentriert ist, Arbeitsplätze abzubauen, erhöht sich die Zahl der Arbeitslosen. (Die Abnahme der Zahl der Beschäftigten führt mittelfristig dazu, dass auch weniger qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Damit verringert sich insgesamt die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit.)
5) Preise für Ressourcen müssten erhöht werden, möglichst bei gleichzeitiger Erniedrigung der Arbeitskosten (um internationale Konkurrenzfähigkeit zu erhalten). Beispiel: Ökosteuer.

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