8.4.13

Weltgeschichte?

Es ist nicht einfach mit dem Geschichtsbegriff. Was soll er umfassen? Die Geschichte allen Seins vom Urknall her? Die Geschichte der Menschheit? Die erinnerte Geschichte der Menschheit, also die durch schriftliche Selbstzeugnisse der Menschen zur Erinnerung festgehaltene Geschichte? (zum Geschichtsbegriff vgl. Geschichte)

"Die Weltgeschichte besteht aus vielen Strängen, die auch nicht immer miteinander verbunden waren. Man kann sie nicht als eine Geschichte erzählen. Sie setzt sich aus vielen Einzelgeschichten zusammen. Man muss immer wieder neu einsetzen. Die Grundeinheiten sind aber nicht – wie das 19. Jahrhundert uns glauben machen wollte – Staaten oder Nationen, sondern Regionen, ganze Weltteile." (meint Jörg Fisch in der FR vom 29.9.2012)

"Ob und wie man etwa Universalgeschichte, Weltgeschichte und Globalgeschichte unterscheiden kann und muss, beschäftigt viele kluge Köpfe. Konkrete Umsetzungen hingegen sind vergleichsweise rar." (stellt Andreas Ecker in der FR vom 8.1.2004 fest)

Dann stellt er gleich zwei Bücher zum Thema vor:
Alexander Demandt: Kleine Weltgeschichte, München 2003 und
Jürgen Osterhammel / Niels P. Petersson: Geschichte der Globalisierung. Dimensionen - Prozesse - Epochen, München 2003

Johannes Fried unterscheidet, wie folgt:

"Universalgeschichte meint die Weltgeschichte von der Steinzeit bis zur Gegenwart.
Globalgeschichte legt den Akzent weniger auf die Geschichte der Menschheit von Anfang an, als vielmehr auf die wechselnden Formen globaler Kommunikation."

Und trotz der vielen vorliegenden Weltgeschichten meint er, eine Weltgeschichte könne man nicht schreiben. Man brauche dafür eine Meistererzählung. Eine solche Erzählung gebe es aber noch nicht, Ranke habe sie versucht, er sei aber im achten Jahrhundert steckengeblieben.
"Eine Weltgeschichte im Sinne von Globalgeschichte muss heute ganz anders vorgehen Da gibt es nicht mehr die eine Zentralstrecke von Sumer, Ägypten, Griechenland, Rom, Mittelalter, Neuzeit, Moderne bis zu uns, von der aus der Rest der Welt 'entdeckt' wird." (J. Fried in FR vom 8.4. 2013, S.20/21)

Den Versuch eines Einzelnen, dennoch eine solche Geschichte zu schreiben bezeichnet Andreas Ecker als "burschikos":
"Vergleichsweise burschikos geht Alexander Demandt zu Werke. Der Berliner Althistoriker, erfahren im Genre der Synthesen und Verdichtungen, durchschreitet im Eiltempo die Geschichte unserer Welt vom Urknall bis zur unmittelbaren Gegenwart. Ein solches Unterfangen in Zeiten beckmesserischen Spezialistentums verdient selbstverständlich grundsätzlich Respekt. Doch hätte man etwa gerne gewusst, nach welchen Kriterien der Autor die gewaltige Stoffmasse geordnet hat." (Ecker in FR)

In der Wikipedia habe ich eine Menschheitsgeschichte eingestellt, die wie die üblichen Weltgeschichten der Verlage eine Zusammenstellung von vielen Einzeldarstellungen ist, die nur zu Teilen von mir selbst formuliert worden ist.
Hier werde ich nach und nach auf Probleme eingehen, die mir dabei begegnet sind.

Das ging schon mit der Bezeichnung (Wikipedia: Lemma) los. Der Begriff "Weltgeschichte" war in der deutschen Wikipedia schon vergeben für Weltgeschichtsschreibung. So habe ich mich für das Lemma "Menschheitsgeschichte" entschieden. Was aber unterscheidet das von Globalgeschichte und Universalgeschichte?
Johannes Frieds Position habe ich oben zitiert. Die Wikipedia setzt  Globalgeschichte und Universalgeschichte mit Weltgeschichtsschreibung gleich, insofern sie auf dieses Lemma verlinkt.

Diskussionswürdig finde ich die Ansicht Frieds, man könne keine Weltgeschichte schreiben, weil man dafür eine Meistererzählung brauche. Zwar glaube ich gern, dass die großen Sammelwerke wie Propyläen- und Fischer-Weltgeschichte keine Meistererzählung haben; aber im Mittelalter, der Zeit der vielen Weltchroniken (z.B. Frutolf u. Ekkehard), gab es die schon, und Hegel und Marx haben neue entwickelt, auch wenn wir sie heute nicht mehr als überzeugend ansehen. In der Sowjetunion fanden sich auch die Historikerkollektive, die bereit waren, ihre Geschichtsschreibung an solch einer Meistererzählung auszurichten. Es braucht also nicht mehr die Leistung eines Einzelnen wie Ranke, um das Riesenwerk zu verfassen. Im Zeichen der Kooperation in Wikis und bei der Möglichkeit der Verlinkung könnte sogar eine große Menge von Einzelstudien in einem Gesamttext verlinkt und damit ein Darstellungsnetz erzeugt werden, das zwar keine lineare Erzählung darstellt, sich aber an einer linearen Erzählung orientiert.

Wie seht ihr es? Kommentare würden mich freuen.

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