2.9.13

Merkel gibt Missstände zu und wirbt damit um Vertrauen

Ich habe nicht gezählt, wie oft Angela Merkel im gestrigen Doppelinterview mit Peer Steinbrück erklärt hat, dass die gegenwärtige Situation alles andere als befriedigend sei und dass "wir" deshalb weiter daran arbeiten "müssen". Aber es war ihre durchgängige Verteidigungsstrategie.
Selbst der Hinweis darauf, dass Horst Seehofer schon jetzt eine Koalition ausgeschlossen hat, wenn Merkel sich nicht seinen Vorstellungen fügt, brachte sie nicht davon ab, weiter zu behaupten, dass die schwarz-gelbe Koalition die bestmögliche sei, auch wenn sie erkennbar mit einer Großen Koalition liebäugelte und das schon deswegen, weil Steinbrück sie für sich ausschloss. - Wenn die Union erst einmal genügend Stimmen bekommen habe, werde man ja schon sehen, wie die Koalitionsverhandlungen mit der CSU laufen würden.

Steinbrück wirkte durchweg informiert, hatte eine große Zahl von Argumenten, auf die Merkel nur mit ihrer Standardantwort "wir müssen noch daran arbeiten" reagierte. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sie deshalb beunruhigt wäre. Unbesorgt gesteht sie ihre Unwissenheit zu. Wer wird von einer schwäbischen Hausfrau schon erwarten, dass sie über amerikanische Geheimdienste Bescheid weiß oder gar von einer Physikerin, dass sie etwas davon versteht, wie das Internet funktioniert.

Dennoch hörte man auch von Merkel Klartext:

  • Wir werden den Arbeitnehmern helfen, in dem wir die Arbeitgeber "ermuntern zu Reformen".
  • Jeder muss von seiner Arbeit leben können, doch die Bundesregierung wird sich da nicht einmischen.
  • Jeder, der sich ungerecht behandelt fühlt, kann das bei der Bundesregierung melden. 

Zwar gibt es viele Missstände, doch die Bundesregierung wird nicht mehr tun, als andere dazu aufzufordern, sie abzustellen. Dafür dass sie das tun kann, bittet Angela Merkel um zwei Stimmen für ihre Partei.

Wer das "Duell" als Boxkampf sehen wollte, sah eine Titelverteidigerin mit schier unendlichen Nehmerqualitäten.
Wer es als Show sehen wollte, sah Stefan Raab als Sieger.
Wer das Interview als politische Veranstaltung gesehen hat, sah die Medienberichterstattung über den Fettnäpfchenkönig Steinbrück durch diesen widerlegt. Doch Informationen waren ziemlich rar: Merkel ist gegen die Pkw-Maut, Seehofer dafür. Steinbrück ist für einen allgemeinen Mindestlohn, Merkel dagegen.
Wer sich kurz und knapp darüber informieren lassen will, welche Partei am meisten mit seinen eigenen Vorstellungen übereinstimmt, kann das beim Wahl-O-Mat tun.
Wer mehr Zeit hat, kann nachlesen bei CDU, SPD, Grünen, FDP, Piratenpartei, die Linke oder gleich alle bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg verlinkten Wahlprogramme nachlesen.

Wer die gegenwärtige Bundesregierung als die erfolgreichste der Geschichte der Bundesrepublik angesehen hat, wird sich von diesem Doppelinterview nicht beirren lassen. Warum auch?

Nachbetrachtung zum Doppelinterview von Internet-Law, 2.9.13

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