24.9.13

Vorzeitiger Nachruf auf eine Partei

"Jetzt kann man bei den nächsten Wahlen noch nicht einmal mit gutem Gewissen SPD wählen. Es erscheint ja geradezu wahrscheinlich, daß sie, wenn sie nicht die absolute Mehrheit bekommt, nur weiter mit der CDU zusammengeht. - Der Staatsbankrott [...] ist nicht mit dem Versagen der CDU eingetreten, sondern erst jetzt mit dem Versagen der SPD. Solange es eine Alternative gibt, ist eine unfähige Partei nicht schlimm. Aber wenn einem auch die genommen wird ... Die FDP aber, die einzige Partei, die bei der Sache zu ihren Grundsätzen gestanden hat, ist [...] Wieviel besser wäre eine Koalition mit der FDP gewesen, wo erstmals Alternativen und nicht Kompromisse mit der CDU-Politik zum Zug gekommen wären! [...] - Außerdem hielte ich es für gefährlich, die letzte deutsche Prinzipenpartei, die außerdem Honoratioren- und (!) "Intelligenzpartei", jedenfalls noch eine Partei für Individualisten ist, auszuschalten.
So habe ich am 26.11.1966 in mein Tagebuch geschrieben. Wer könnte heute ohne Sorge, sich lächerlich zu machen, noch so etwas schreiben. Mehr noch. Kurz zuvor hatte ich geschrieben:
Von der FDP scheint mir der Anlaß gut gewählt. So wird nämlich entweder eine Minderheitsregierung der CDU bestehen bleiben müssen. Ein mörderisches Unternehmen. Oder die SPD kommt im ungünstigst möglichen Augenblick in die Regierung. Die 'große Koalition', das Schreckgespenst für die FDP, wäre ihr jetzt wohl sehr lieb. [Hervorhebung Fontanefan am 24.9.13] Könnte sie sich doch wie unschuldig an der Misere u. den Schwierigkeiten, die uns noch bevorstehen, gebärden. (30.10.1966)
Wie haben sich die Zeiten geändert. Damals ging die SPD aus der großen Koalition gestärkt hervor, um mit der liberalen FDP eine Erneuerung der Bundesrepublik zu mehr Demokratie voranzutreiben. Gestern habe ich geschrieben:
Dass die Partei, der der Graben zwischen Reich und Arm nicht groß genug sein konnte (Westerwelle), die die Energiewende nach allen Regeln der Kunst torpedierte (Roesler) [...], und die ihre verdienten Mitglieder Hirsch und Baum seit Jahren im Regen stehen lässt, wenn es um liberale Themen geht, dass die aus dem Bundestag raus ist, begrüße ich sehr.
Die  Prinzipenpartei, die "Intelligenzpartei", die Partei für Individualisten hat sich aufgelöst. Übrig geblieben sind nur noch die Prinzipien und die Individuen, die zu ihnen stehen. Hirsch und Baum gehören gewiss dazu. Über andere wage ich nicht zu urteilen.
Vorzeitig ist der Nachruf, weil diese Partei ja wieder entstehen könnte. Das wäre freilich für die jetzige FDP eine Herkulesaufgabe.

Vielleicht kommt der Nachruf aber auch zu spät, weil nichts mehr dazu beitragen kann, die Partei aufzurütteln.

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