23.11.14

Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt

Bisher habe ich auf Fontanefans Schnipsel vor allem Zitate aus Osterhammels "Verwandlung der Welt", einem "Meilenstein der deutschsprachigen Geschichtsschreibung" (Andreas Eckert) gesammelt und werde es dort auch weiter tun. Nachdem ich inzwischen einen Eindruck von den ersten fünf Abschnitten des Werks gewonnen habe, möchte ich die vorliegenden Rezensionen (z.B. bei Perlentaucher) durch meine eigenen Eindrücke ergänzen.

Osterhammel setzt mit seinem Beispiel für weltgeschichtliche Betrachtung (wie vor ihm Bayly in "Die Geburt der modernen Welt", 2006) zu einem Zeitpunkt an, wo die Globalisierung schon so weit voran geschritten ist, dass die Menschheitsgeschichte schon starke und mehr und mehr weltweite Wirkungszusammenhänge erkennen lässt.
Dabei vermeidet er es sorgfältig, die Geschichte des 19. Jahrhunderts zu erzählen. Vielmehr geht er sie unter der Überschrift Annäherungen bewusst unter streng ausgewählten Aspekten an: zunächst unter dem des Selbstbildes der Zeit, dann unter dem der Kategorien Zeit und Raum.

Bei der Betrachtung des Selbstbildes und unter dem Zeitaspekt sieht er das 19. Jahrhundert immer in Bezug auf seine charakteristischen Unterschiede zu den früheren Jahrhunderten und auf die Wandlungen, die die Strukturen des 20. Jahrhunderts herbeiführten. Dafür kann der Satz "Vor dem 20. Jahrhundert kann kein einziges Jahr als epochal für die gesamte Menschheit betrachtet werden" als beispielhaft gelten. Das 19. Jahrhundert wird in die Kontinuität der vorhergehenden Jahrhunderte  gestellt und andererseits deutlich von dem Globalisierungsgrad des 20. abgehoben. 

Das gilt auch für seine Aussagen über den Raum. Sorgfältig achtet er darauf, dass uns geläufige Termini nicht ungeprüft als schon im 19. Jahrhundert gültig verwendet werden:
"Die Sammelbezeichnung 'Südostasien' entstand während des Ersten Weltkriegs in Japan." (S.137)"Die Kategorie des 'Westens' etwa [...] findet sich als dominante Denkfigur nicht vor den 1890er Jahren." (S.143)"Im langen 19. Jahrhundert war viel häufiger als vom 'Westen' von der 'zivilisierten Welt' die Rede. [...] In Japan wurde es sogar zum Ziel nationaler Politik, als zivilisiertes Land akzeptiert zu werden." (S.144)

Danach gibt Osterhammel unter der Überschrift Panoramen ohne Vollständigkeitsanspruch einen Überblick über acht große Wirklichkeitsbereiche, die wesentliche Elemente der Gesamtgeschichte des 19. Jahrhunderts erfassen sollen:
Sesshafte und Mobile
Lebensstandards
Städte
Frontiers
Imperien und Nationalstaaten
Mächtesysteme, Kriege, Internationalismen
Revolutionen
Staat

Die Panoramen durchaus nicht so klar gegliedert und ähnlich gleichwertig wie die Annäherungen. Vielmehr gibt es große Überschneidungen zwischen Lebensstandards  und Mobilität; denn während der Sklavenexport die Betroffenen in Lebensstandard und Lebensqualität meist auf Generationen zurückwarf, wurde die freiwillige Migration meist von Personen der Unterschicht gewählt, die hoffen durften, mittelfristig ihren Lebensstandard zu verbessern, auch wenn sie im Falle der Indentur zwischenzeitlich zu Arbeit ohne (oder zu nur sehr geringem) Lohn verpflichtet waren. 

(Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, 2009)

Zitate aus Jürgen Osterhammel "Verwandlung der Welt"

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