8.7.16

Brexit, Ceta und was sonst zusammengehört

Lobbycontrol schreibt mir zum Stichwort Brexit:
"[...] jede Krise bietet auch eine Chance: Anstatt Probleme unter den Tisch zu kehren, wird endlich offen über den Zustand und die Zukunft der Europäischen Union diskutiert. Probleme gibt es in der Tat viele: Auch wir berichteten in den letzten Jahren immer wieder über den oft problematischen und übergroßen Lobbyeinfluss in Brüssel und die Defizite bei der demokratischen Kontrolle des Lobbyismus.
Wir sehen die Debatte um den Brexit daher auch als Chance, um die Demokratiedefizite der EU-Institutionen, ungleichen Einfluss, mangelnde Transparenz und unregulierten Lobbyismus endlich konsequent anzugehen. Denn eines ist klar geworden: Wenn die EU eine Zukunft haben will, dann darf sie kein neoliberales Europa der Konzerne sein, sondern eine öffentliche Demokratie, ein demokratisches Europa, geprägt von Bürgerinnen und Bürgern und deren Belangen.
Das war oftmals nicht der Fall. In jüngster Vergangenheit zeigte das der Umgang mit den umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP und CETA, der weiche und sehr konzernfreundliche Kurs im Umgang mit der Auto-, Banken- und Agrarindustrie – oder das schwache Engagement gegen die Steuertricks der Konzerne. [...]

Jürgen Habermas führt das "Gefühl des Kontrollverlustes", das zum Brexit geführt hat in der ZEIT vom 7.7.16 zurück auf "die Aushöhlung der nationalstaatlichen Demokratien, die den Bürgern bisher die Chance gegeben haben, über wichtige Bestimmungen ihrer nationalen Existenz mitzubestimmen".

Spiegel online schreibt zu Ceta:
Die Kommission wollte das Abkommen als reinen EU-Vertrag zunächst ohne die nationalen Parlamente beschließen lassen, war aber unter massivem Druck eingeknickt. Doch die vermeintliche Kehrtwende war womöglich gar keine. Schon am Mittwoch zeigte sich die Kommission trotzig: Man habe sich lediglich dem politischen Druck einer großen Mehrheit der Mitgliedstaaten gebeugt. An der rechtlichen Bewertung halte man jedoch fest. "Wir glauben immer noch, dass das gesamte Abkommen unter EU-Kompetenz fällt", sagte ein ranghoher Kommissionsbeamter. Deshalb habe man dem Europäischen Rat vorgeschlagen, Ceta vorläufig in Kraft zu setzen - und zwar vollständig.Sollte der Rat mitspielen, könnte Ceta de facto auf unbestimmte Zeit gelten, auch ohne die Zustimmung der Parlamente der Mitgliedstaaten. "Der vorläufigen Anwendung ist keine zeitliche Grenze gesetzt", sagte der Kommissionsfachmann. [...]
Sollte der Europäische Rat die vorläufige Anwendung von Ceta verweigern, könnten juristische Schritte drohen. So hat die EU-Kommission den Europäischen Gerichtshof gebeten, den bereits verhandelten Freihandelsvertrag mit Singapur zu prüfen, ob er unter die alleinige Kompetenz der EU oder auch der Mitgliedstaaten fällt. Die Richter werden ihre Meinung voraussichtlich im Frühjahr 2017 veröffentlichen.Was danach in Sachen Ceta geschieht, ist offen. "Man kann nie ausschließen, dass die Kommission vor Gericht zieht, um europäisches Recht durchzusetzen", so der EU-Beamte. "Das gibt ihr Mandat her."
Die Kommission fürchtet letztlich um die Glaubwürdigkeit der EU. Die internationalen Partner seien schon jetzt "äußerst besorgt" über den Ärger um Ceta. "Sollten wir diese Debatte nicht lösen, könnten die Dinge haarig werden", so der Kommissionsbeamte. Wenn die EU keinen Handelsvertrag mit Kanada abschließen könne, habe die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland zu Recht gefragt, "mit wem dann?" [Hervorhebungen von mir]
Zusammenarbeit in Europa ist unverzichtbar. Demokratie aber auch.
Wenn diese EU-Kommission Zusammenarbeit verweigert, muss sie abgesetzt werden. Das sind wir Europa schuldig. 
Zuständig ist dafür das demokratisch gewählte Europäische Parlament. 


Keine Kommentare: